Lauterbacher Persönlichkeiten

Adolf Spieß - Begründer des Schulturnens

 

Adolf Spieß
(03.02.1810 - 09.05.1858)

Adolf Spieß, Sportpädagoge und gebürtiger Lauterbacher, wurde als Begründer des Schulturnens und des Mädchenturnens über die Grenzen Deutschlands bekannt.

Als Sohn von Luise Werner und dem Musiker und Pastor Johann Balthasar Spieß, einem Förderer des öffentlichen Schulsystems in Offenbach, kam Adolf Spieß am 3. Februar 1810 in einem kleinen Fachwerkhaus nahe der Lauterbacher Stadtkirche zur Welt.
Spieß Studierte in Gießen und Halle Theologie und wurde ab 1833 Elementar- und Turnlehrer in Burgdorf in der Schweiz.

1844 ging er dann als Turnlehrer nach Basel. In diesen Jahren (1840-46) veröffentlichte er sein Werk „Die Lehre der Turnkunst" in 4 Bänden. 1847 bis 1851 schrieb er ein „Turnbuch für die Schulen". Es war sein wichtigstes Werk mit didaktischen Grundgedanken, Zielen, Inhalten und Methoden. 1848 kehrte Spieß nach Deutschland zurück. Er übernahm in Darmstadt die Leitung des Schulturnens in Hessen bis 1855.

Das Schulturnen in der damaligen Zeit hat allerdings mit unseren heutigen  Vorstellungen von Sportunterricht sehr wenig gemeinsam. Spieß sah das Turnen als Erziehungsmittel zu Gehorsam und Disziplin und zur Bildung folgsamer Untertanen. Das Ziel, die Erziehung von „Untertanen für den modernen Staat“, wurde durch körperlichen und militärischen Drill verfolgt. Das Turnen zum körperlichen Wohlbefinden, also der „Fitness“ im heutigen Sinne, wurde dabei kaum Beachtung geschenkt.

Der Turnunterricht nach Spieß bestand aus einem streng reglementierten Kanon von Kommandos nach denen disziplinierte Freiübungen und Ordnungsübungen „zur schultauglichen Körperertüchtigung“ durchgeführt wurden. Das ganze meist als Frontalunterricht und mit starrem Ablauf. Vergleichbar mit heutigen Aerobic-Kursen, allerdings ohne jeden Spaß.
Trotz aller Kritik war es aber Adolf Spieß, der als Erster ein neues Körperbewusstsein in den Schulunterricht einbrachte.


Frontalunterricht als Disziplinübung nach Spieß


Ringschwebel nach Spieß

Relativ unbekannt ist die Tatsache, dass Adolf Spieß die Ringe als „Schaukelgerät“ eingeführt haben soll. Er nannte das seinerzeit "Ringeschwebel". Sie hatten anfangs statt der heute üblichen runden Ringe noch dreieckige, triangelförmige Griffe (Bügel, Triangel). Gebräuchlich war auch der Begriff "Bügelübungen".





Adolf Spieß starb am 9. Mai 1858 in Darmstadt.


Typische Turnhalleneinrichtung zur Zeit von Adolf Spieß


Knabenturnplatz mit Turngerüst (aus Spieß: Turnbuch für die Schulen)

 



 

 

Das Geburtshaus von Adolf Spieß befindet sich hinter der evangelischen Stadtkirche, etwas abseits des Marktplatzes,  und ist noch heute beliebtes Ziel von Besuchern unserer Stadt. Links neben dem Haus befindet sich der so genannte "Schulbogen", der den Durchlass zum Berliner Platz und der Obergasse gewährt. Daran anschließend die alte Lateinschule, von der Spieß später Konrektor war.
Das ursprüngliche Geburtshaus von Spieß wurde etwa um das Jahr 1500 gebaut und galt als ältestes Fachwerkhaus Lauterbachs. Zum Gauturnfest am 11. Juli 1881 wurde neben dem Eingang eine Marmorgedenktafel zu seinen Ehren enthüllt.
Am 30.01.1910, einem Sonntag, fand in Lauterbach ein großes Fest anlässlich des hundertjährigen Geburtstags von Adolf Spieß statt. Neben vielen Ehrengästen waren auch fast alle Lauterbacher auf den Beinen, um einem der bekanntesten Söhne der Stadt zu gedenken.

Im Jahr 1913 musste das ursprüngliche Haus wegen Baufälligkeit, allerdings unter Protest einiger  Lauterbacher Einwohner, abgerissen werden. Es wurde dann mit etwas vergrößerten Maßen neu aufgebaut. Aber auch das neue Gebäude zählt noch heute zu den Sehenswürdigkeiten Lauterbachs.


Das neu aufgebaute Haus im heutigen Zustand mit Schulbogen und Lateinschule


Feier zum 100. Geburtstag am 30.01.1910

 


Ansichtskarte anlässlich des Gau-Turnfestes 1898 mit dem Spieß-Haus

 
 



 

 

Die Adolf-Spieß-Halle in Lauterbach

Die Grundsteinlegung für die Adolf-Spieß-Halle fand knapp 50 Jahre nach dem Tod von Spieß im September 1906 statt. Der als Turnhalle geplante Bau war nach nur knapp zwei Jahren, im Juli 1908, dem 46. Jahr des Lauterbacher Turnvereins, fertig gestellt. Die Halle diente neben den zahlreichen sportlichen Veranstaltungen auch als Schulsporthalle.
Im ersten Weltkrieg wurde hier, wie auch z.B. im Schloß Sickendorf, ein Notlazarett eingerichtet, in dem sich deutsche Soldaten erholen konnten.

Später wurde die Halle zusätzlich für große Veranstaltungen wie, z.B. während der Faschingswochen für den TUMABA oder den legendären „Jugendball“ genutzt.

Anfang der 1980er Jahre war die Bausubstanz allerdings soweit angegriffen, dass eine Renovierung von Nöten war.

Die Aktionsgemeinschaft Lauterbach, ein Zusammenschluss von Lauterbacher Geschäftsleuten, rief daraufhin zu einer „Aktion zur Unterstützung der Renovierung der Adolf-Spieß-Halle“ ins Leben. Für 10,- DM konnte jeder Bürger einen so genannten „Baustein“ erwerben, und damit die Finanzierung unterstützen. Der Verkauf dieser „Bausteine“ in Form von nummerierten Urkunden, brachte im Jahr 1988 schließlich insgesamt über 23.000,- DM zusammen, mit denen die Arbeiten unterstützt werden konnten.

Die Adolf-Spieß-Halle ist heute ganz einfach an der  B275, fast mitten im Stadtgebiet, zu finden. Das war allerdings nicht immer so. Beim Bau der Halle führte die "Blitzenröder Chaussee", die heutige Vogelsbergstraße, zwar direkt an ihr vorbei. Doch weit und breit fand man nur ein einziges Haus in der näheren Umgebung. Das nächste Haus in Stadt-Richtung war sogar erst das ca. 300 Meter entfernte Casino-Gebäude. Und erst hinter der darauf folgenden Lauter-Brücke fing mit dem Steinweg das eigentliche Stadtgebiet an.
Man Baute im Jahr 1908 die Halle also sozusagen "auf der grünen Wiese", wie die Bilder auch verdeutlichen.
 

Der Jugendstilbau bietet seinen maximal 500 Besuchern auch heute noch eine hervorragende Akustik und wird nicht zuletzt aus diesem Grund gerne für Theateraufführungen, Konzerte und andere allgemeine Veranstaltungen genutzt. Vielleicht besuchen Sie ja irgendwann einmal unser schönes Städtchen Lauterbach im Vogelsberg einmal. Ein Besuch der Adolf-Spieß-Halle lohnt sich allemal!

 

 Die Adolf-Spieß-Halle Anfang der 1960er Jahre. Die "HEGEMAG"-Wohnhäuser im Hintergrund sind gerade neu errichtet worden.