Lauterbacher Persönlichkeiten

Erich Selbmann - Minister und Schriftsteller

 

Erich Selbmann
(02.09.1926 - 29.04.2006 )

Erich Selbmann, deutscher Journalist und Politiker, wurde am 2. September 1926 als Sohn von Fritz Selbmann, dem bekannten Schriftsteller, Minister und Parteifunktionär, in Lauterbach geboren.
Erich Selbmanns Mutter starb bereits Anfang der 30er Jahre, während sein Vater als politischer Gefangener in Haft war. Aus diesem Grund wuchs Erich Selbmann ab seinem sechsten Lebensjahr bei Freunden der Familie auf, wo er politisch beeinflusst wurde und später auch einer Widerstandsgruppe beitrat.

1944 kam Selbmann im Alter von 17 Jahren zur deutschen Wehrmacht und geriet später in sowjetische und polnische Kriegsgefangenschaft.
 

Nach dem Krieg, 1946 begann er ein Studium der Publizistik. Nach dessen Abschluss nahm er eine Stelle beim Mitteldeutschen Rundfunk an und wurde von 1953 bis 1955 Chefredakteur beim Deutschlandsender. Seine bisherige journalistische Laufbahn gipfelte 1958 mit der Stelle als Intendant des Berliner Rundfunks.
Selbmann begann nun, im Jahr 1959, seine kurze politische Karriere. Er wurde Sekretär der SED-Bezirksleitung in Berlin.
 

Ab 1964 widmete er sich aber wieder dem Journalismus und wurde bis 1966 Korrespondent in Moskau. Von 1966 bis 1978 wechselte er zum damals neuen Medium Fernsehen und wurde Chefredakteur der Aktuellen Kamera.
Bis zur Wiedervereinigung im Jahr 1989 war Selbmann dann stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen und Leiter des Bereichs Dramatische Kunst.

Von seiner Gründung im Jahr 1990 bis 2004 an war Selbmann Mitglied im Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes (IVVdN) und arbeitete dort aktiv an der Zeitschrift "antifa" - Magazin für antifaschistische Politik und Kultur - mit. Er widmete sich dabei speziell der Geschichte des antifaschistischen Widerstandes, sicher nicht zuletzt, weil sein Vater Fritz Selbmann von den Nazis scharf verfolgt wurde.

Am 29. April 2006 starb Erich Selbmann wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag nach langer schwerer Krankheit in Berlin.


Eines seiner Bücher
aus dem Jahr 1998

Selbmann bleibt als „ein streitbarer, den Idealen des Sozialismus und Antifaschismus verbundener Journalist“ in Erinnerung, wie der Bundesausschuss der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) in seinem Nachruf schreibt.

Werke:

1966: Parteitag der Erbauer des Kommunismus - Erich Selbmann, Werner Goldstein
1973: Der Degen des großen Korsen, Ein Journalist erzählt Verlag Neues Leben
1993: Der Prozess. 527-10/92 - Strafsache gegen Honecker und andere
1993: Briefe aus Moabit - Heinz Keßler, Erich Selbmann, Knut Holm, Gerhard Holtz-Baumert
1995: Die vielen Gesichter des Widerstands
1995: Der achte Mai 1945. Ende und Anfang
1998: DFF Adlershof, Wege übers Fernsehland
2002: 20 Frauen des 20. Jahrhunderts
2002: Lebensworte: Alte Texte neu gelesen. Ein antifa-Lesebuch
2003: 20 Männer des 20. Jahrhunderts
2003: Die drei Entscheidungen des Zymbal Spielers



 

Dass Erich Selbmann bis ins hohe Alter „ein streitbarer, den Idealen des Sozialismus und Antifaschismus verbundener Journalist“ war, wie ihn der Bundesausschuss der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) bezeichnet, zeigt der folgende Bericht aus dem Jahr 2005 sehr deutlich.


Das Haus steht, die Idee auch

(Broschüre vom Gegeninformationsbüro - 6. September 2005)

Beitrag zum Konvoi des Zeitzeugen Erich Selbmann am Karl-Liebknecht-Haus am 6. Mai 2005

Liebe Freunde, liebe Gäste, liebe Genossen, ich bin sehr zufrieden, dass Sie auch hierher zu diesem Haus, auf diesen Platz, in dieses geschichtsträchtige Zentrum der Hauptstadt gekommen sind. Der Grund meiner Zufriedenheit über Ihr Kommen ist auch nicht der mögliche Gedanke daran, dass hier, in dieser kleinen Weydinger Straße, direkt neben dem Rosa Luxemburg Platz, lange politische Entscheidungen getroffen wurden – so lange war diese Zeit übrigens gar nicht! Dieses Haus war ursprünglich ein einfaches Bürohaus. Erst im November 1926 wurde es zum Sitz des Zentralkomitees der KPD und der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg/Lausitz-Grenzmark (1928 kam dann noch eine Druckerei hinzu). Doch schon im Februar 1933 war dieses Haus beschlagnahmt, alle Einrichtungen verdrängt. Im Zweiten Weltkrieg wurde auch dieses Haus, wie so viele im Umkreis, durch Bombenangriffe zerstört, erst 1949 wurde das Haus – anders als es vorher war – wieder aufgebaut. Wenn ich dennoch das Wort „zufrieden“ mit Ihrem Interesse verbinde, so hat das einen ganz besonderen Grund: ich sehe darin Ihr Interesse an einigen Ereignissen, über die heutzutage keine Zeitung schreibt, kein Fernsehprogramm Dokumentationen zeigt, Ereignisse, die die heutigen Machthaber einfach verdrängen wollen – wie man denken soll – mit dem „Tag der Befreiung“, mit dem 8. Mai nichts zu tun habe: Totschweigen als Mittel der politischen Propaganda – Schlimmeres kann es gar nicht geben. Die Wahrheit ist, dass die Partei – die damals hier ihre Zentrale hatte – die erste war, die den entschlossenen Widerstand gegen die Nazi-Diktatur organisierte, und zugleich die erste, die von der Nazi-Diktatur brutal angegriffen wurde – besonders deutlich gerade für alle Welt an diesem Platz. Ich will dies nur an vier Ereignissen kurz zeigen, über die man eigentlich sehr lang diskutieren könnte:

Am 22. Januar 1933 – also acht Tage vor der Machtübergabe an Hitler – über die noch niemand sprach, befahl Hitler eine Einschüchterungsaktion, die auf das ganze Volk wirken sollte: um auf dem Friedhof hier in der Nähe einen Gedenkstein auf das Grab Horst Wessels zu setzen, sollten 10 000 SA-Männer vom Bülow-Bogen hier am Karl-Liebknecht-Haus vorbei marschieren. Alle Gegendemonstrationen waren verboten.

Am 25. Januar fand dann, als eine Antwort darauf, die letzte Massendemonstration des Roten Berlins hier statt. Etwa 130 000 Kommunisten und Parteilose marschierten am Karl-Liebknecht-Haus vorbei. Ein Signal, das den Widerstand gegen die drohende Diktatur der Rechtsradikalen ins Zentrum rückte. Als wenig später – Hitler war schon an der Macht und die erste Reichstagswahl sollte ihn bestätigen – der Reichstag in Brand gesetzt wurde, taten die SA- und SS-Organe alles, um die so genannten Schuldigen anzuklagen. Drei Polizeieinheiten drangen in dieses Haus ein, die Beschlagnahme von Tonnen von Akten sollte die Brandstiftung den Kommunisten unterstellen, sie verbieten, ihre Aktivisten in Zuchthäuser und Konzentrationslager bringen. Und noch eine vierte Episode will ich nennen, die mich immer zum Nachdenken zwang. Am Abend des 30. Januar, dem Tag der Machtübergabe an Hitler, ging Maria Reese, eine kommunistische Abgeordnete, die sehr kritisch war, ins Karl-Liebknecht-Haus und wollte fragen, wie es weiter gehen soll. Sie traf Wilhelm Florin und fragte ihn, was man nun machen wolle. Florin hob die Schultern und ließ sie wieder fallen: was soll man machen, wenn man keine kommunistischen Arbeiter in den Betrieben hat? Die Tatsache, dass man eine eigene Gewerkschaft, die RGO, gegründet hat erwies sich als ein folgenreicher Fehler. Maria Reese schrieb in ihr Tagebuch: „Da sitzen nun die Generale und warten auf die Befehle der Soldaten!“

Von da an richtete man das Bemühen darauf, möglichst breite Bündnisse mit allen Gewerkschaften, allen fortschrittlichen Parteien, alle zum Widerstand bereiten Männer und Frauen zu schaffen- bis hin zum 8. Mai.


Erich Selbmann